Sabine
Leutheusser-Schnarrenberger
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Leutheusser-Schnarrenberger
„Die Zivilgesellschaft zu verteidigen bedeutet, die Seele der Demokratie selbst zu verteidigen.“
Die Werte der Demokratie und der Menschenrechte leben durch diejenigen, die ihre Stimme erheben, wenn andere schweigen. Immer wenn demokratische Institutionen angegriffen werden, wenn die Meinungsfreiheit durch Angst beschnitten wird und der Rechtsstaat nur noch ein leeres Versprechen scheint, sind es die Vertreter der Zivilgesellschaft, die eintreten, um die Würde des Einzelnen zu verteidigen. Dies erleben wir derzeit in vielen Teilen der Welt. Es erinnert uns daran, dass die Verteidigung der Menschenrechte und der liberalen Werte nicht einfach nur eine idealistische Geste ist. Sie ist ein Akt der demokratischen Notwendigkeit.
Ob im Kampf gegen die russische Aggression in der Ukraine oder in den Gerichtssälen von Budapest in Ungarn, ob im Widerstand gegen autoritäre Rechtsreformen in Georgien oder bei der Dokumentation von Missständen in der Türkei – diese Vertreter der Zivilgesellschaft sind die letzte Verteidigungslinie gegen Straflosigkeit und Ungerechtigkeit. Sie tun, was Staaten manchmal nicht leisten können oder wollen: Sie schützen, engagieren sich, sprechen die Wahrheit aus. Sie tun dies, obwohl sie Drohungen, rechtlicher Verfolgung, Diffamierung und Erschöpfung ausgesetzt sind. In der Ukraine berichtet Tetiana Katrychenko von den unermüdlichen Bemühungen ihres Teams, russische Kriegsverbrechen zu untersuchen und zu dokumentieren, wohl wissend, dass es Jahre dauern kann und unwahrscheinlich erscheint, dass die russische Führungsspitze in der nahen Zukunft vor Gericht gestellt wird. Dennoch handeln sie und ihr Team heute.
Zivilgesellschaftliche Akteure wie Eszter Polgári aus Ungarn sehen sich angesichts des grassierenden Rechtspopulismus einer Welle rechtlicher und politischer Repressionen ausgesetzt, weil sie den Mut haben, die Rechte von LGBTQI+ zu schützen. Das erinnert uns daran, welche Stärke diese Menschen tagtäglich aufbringen müssen, um standhaft zu bleiben. Menschenrechtsverteidiger wie der georgische Aktivist Vasil Zhizhiashvili appellieren mit Nachdruck an die Welt. Ihre Rufe sind kein fernes Echo. Sie sind Mahnungen und Aufforderung an uns alle.
Die diesjährige Ausgabe der FNF-Publikation „Menschenrechtsverteidiger: Vertreter der Zivilgesellschaft" ehrt den verstorbenen Gerhart R. Baum, einen lieben Freund und geschätzten Kollegen, dessen Leben ein Zeugnis für die Kraft der Standhaftigkeit war. Als Liberaler glaubte er stets an die Würde des Menschen als Grundlage jeder gerechten Ordnung. Als Innenminister verteidigte er die Bürgerrechte, wenn andere sie aushöhlen wollten. Als Jurist kämpfte er für die, die keine Stimme hatten oder deren Stimme in der Masse unterzugehen droht.
Heute ist Gerhart Baum nicht mehr unter uns, aber sein Streben ermahnt uns zur Besinnung auf unsere demokratischen Grundwerte – nicht in abstrakter Reflexion, sondern durch konkrete Verantwortung. In seiner posthum auf Deutsch erschienenen Schrift "Besinnt Euch" schrieb er: "Wir sind nicht machtlos“. Und er betonte: „Wir haben das Recht und die Pflicht, uns dem Unrecht zu widersetzen." Auf dieser Grundhaltung basiert die vorliegende Publikation. Gerhart Baum wusste ebenso wie die hier Vorgestellten, dass die Demokratie nur Bestand hat, wenn sie nicht nur von Institutionen, sondern auch von Menschen geschützt wird. Er sagte: „Richten wir den Blick auf all die mutigen Menschen, die in Diktaturen und Autokratien ihr Leben für die Freiheit riskieren. Erzählen wir ihre Geschichten und würdigen wir sie auch mit Preisen, weil sie dadurch öffentlich wahrgenommen werden.“
Ich lade alle Leserinnen und Leser ein, sich intensiv mit dieser Publikation zu befassen. Sie enthält nicht nur zutiefst bewegende und teils erschütternde persönliche Geschichten, sondern regt zu wichtigen politischen Gesprächen an.
Diese Publikation trägt auch eine wichtige Botschaft an alle Aktivistinnen und zivilgesellschaftlichen Akteure, die hier zu Wort kommen: Sie sind in ihrem Einsatz für Menschenrechte nicht allein! Ihre Stimmen werden gehört. Ihre Arbeit – ob im Exil oder unter Bedrohung, vor Ort oder im Gerichtssaal – stärkt die Grundlagen der Freiheit.
Ihre Sabine Leutheusser-Schnarrenberger
Stellvertreter des Vorstands
der Friedrich Naumann Stiftung für die Freiheit;
Bundesjustizministerin a.D.
der Bundesrepublik Deutschland
Vorwort