Interview mit Renate Liesmann-Baum über den
Interview mit Renate Liesmann-Baum über den
Interview mit Renate Liesmann-Baum über den
Interview mit Renate Liesmann-Baum über den
„Alle Menschen sind frei und gleich an Würde und Rechten geboren.“
VITA
Gerhart Baum war ein liberaler Politiker in Deutschland. Im Februar 2025 ist er im Alter von 92 Jahren verstorben. Er ist nicht nur in Deutschland, sondern vermutlich auch weltweit der einzige ehemalige Innenminister, der zu einem aktiven Menschenrechtsverteidiger bei den Vereinten Nationen wurde. Von 1992 bis 1998 hat der die deutsche Delegation bei der Menschenrechtskommission in Genf geleitet. Von 2000 bis 2004 war er von den Vereinten Nationen zum Unabhängigen Experten für Menschenrechte im Sudan ernannt. In dieser Zeit hat er die Entstehung der UN Erklärung für den Schutz von Menschenrechtsverteidiger maßgeblich initiiert. Sie ist sein Vermächtnis an die Menschenrechtsverteidiger weltweit. 2021 ist die erste Publikation zu Menschenrechtsverteidiger bei der Friedrich Naumann Stiftung veröffentlicht worden. Diese fünfte Ausgabe ist Gerhart Baum gewidmet. Mit Renate Liesmann-Baum, seiner Frau haben wir dieses Interview geführt.
Diesen ersten Satz der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte hat Gerhart Baum immer zitiert.
Das spielt sicherlich eine Rolle, wie überhaupt seine eigene Lebensgeschichte eine große Rolle für sein politisches Denken und Handeln spielte. Mein Mann hat als Kind Krieg und Flucht erlebt. Die Kriegsbilder aus der Ukraine haben ihn immer wieder daran erinnert. Das sind die Bilder meiner Kindheit, hat er gesagt. „Nie wieder!“ Das hat er gelebt - als Mensch und als Politiker, und eben auch in seinem Engagement für die Menschenrechte.
Menschenrechte wurde zu dem Lebensthema für Gerhart Baum. Lässt sich das allein mit der Kindheit im zerbombten Dresden und dem Nachkriegsdeutschland erklären?
Das spielt sicherlich eine Rolle, wie überhaupt seine eigene Lebensgeschichte eine große Rolle für sein politisches Denken und Handeln spielte. Mein Mann hat als Kind Krieg und Flucht erlebt. Die Kriegsbilder aus der Ukraine haben ihn immer wieder daran erinnert. Das sind die Bilder meiner Kindheit, hat er gesagt. „Nie wieder!“ Das hat er gelebt - als Mensch und als Politiker, und eben auch in seinem Engagement für die Menschenrechte.
Nachdem er aktiver Politiker war, wurde Gerhart Baum zum professionellen Menschenrechtsverteidiger. Wie kam es dazu?
Kurz bevor Hans-Dietrich Genscher als Außenminister zurücktrat, hat er meinen Mann noch beauftragt, die deutsche Delegation bei der Menschenrechtskommission der Vereinten Nationen in Genf zu leiten. Zu diesem Zeitpunkt wurde die große Menschenrechtskonferenz in Wien 1993 schon vorbereitet. Diese Erfahrung hat sein Engagement für die Menschenrechte noch einmal richtig gepusht.
Wie groß war der Sprung vom Politiker zum Menschenrechtsverteidiger auf dem diplomatischen Parkett in Genf?
Mein Mann war Politiker und kein gelernter Diplomat. Der Politiker reist nach Auslandsbesuchen wieder ab, als Diplomat muss man die Folgen ertragen. In Genf wurde ihm Michael Schaefer zur Seite gestellt, der damals in der deutschen Vertretung bei den Vereinten Nationen als Referent für Menschenrechte zuständig war. Michael Schaefer hat ihn kundig auf dem diplomatischen Parkett begleitet. Daraus ist eine lebenslange Freundschaft entstanden. Aber mit seinem politischen Geschick und Erfahrungen konnte mein Mann zu wichtigen Entscheidungen beitragen. Auch auf der Kommunikationsebene hatte er Änderungen bewirkt. Für ihn war der Austausch, der Diskurs über die anstehenden Probleme immer das wichtigste. Deshalb hatte er z.B. entschieden, anstelle der üblichen großen Sektempfänge häufiger ausgesuchte Gäste zu einem runden Tisch in kleinem Kreis einzuladen, in dem dann intensiv diskutiert werden konnte. Das direkte Gespräch mit Menschen war ihm bis zum Schluss sehr wichtig.
Gerade auch mit jüngeren Menschen.
Ja, richtig, bis zum Schluss. Seine Visionen einer gerechten Menschenrechtspolitik zu teilen, gerade auch mit jungen Menschen, das entsprach seiner Lebensenergie. Und das unterschied ihn auch von vielen anderen Politikern.
„Wir verneigen uns vor Ihrem Mut“, hat Gerhart Baum sein Vorwort zur ersten Publikation über Menschenrechtsverteidiger respektvoll und anerkennend begonnen. Nachdem Sie beide den Menschenrechtspreis der Gerhart und Renate Baum - Stiftung an die belarusische Bürgerrechtskämpferin Maria Kalesnikava vergeben hatten wurde diese inhaftiert.
Wir haben Maria ja schon vorher gekannt – als Musikerin in Stuttgart, wo sie viele Jahre tätig war, ehe sie in Minsk eigentlich ein Kulturzentrum aufbauen wollte. Fernsehbilder, die sie dann gemeinsam mit anderen mutigen belarusischen Frauen als strahlende politische Aktivistin mit knallroten Lippen im Kampf um Bürgerrechte und Freiheit zeigen, haben wir noch gut in Erinnerung. Tausende von Menschen auf den Straßen von Minsk hat sie begeistert. Für diesen Mut und diese Kraft im Kampf gegen die Autokraten in Belarus und Russland wollten wir sie mit unserem Menschenrechtspreis auszeichnen. Den Kampf hat sie verloren. Seit fünf Jahren ist sie inhaftiert, mit ungewissem Ausgang. Dieses Schicksal hat uns sehr berührt, aber auch das Schicksal von Bürger- und Menschenrechtlern in anderen Ländern, wie Myanmar, Afghanistan und Sudan.
In seinen Büchern, so auch im zuletzt von Ihnen fertig gestellten „Besinnt Euch!“ appelliert Gerhart Baum an die Leser und warnt vor Autokraten und Rechtsextremen.
Die drohende Gefahr war ihm immer bewusst. Schon sehr früh spürte er die Gefahren für den gesellschaftlichen Zusammenhalt und für die liberale Demokratie. Immer wollte er die ganze Kraft seiner Biografie mobilisieren, um zu verhindern, dass sich die Geschichte wiederholt. „Aus Angst wurde Wut, aus Wut Engagement“ – schreibt er und fordert „jetzt müssen wir uns besinnen und handeln!“
Interview