Ungarn

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András Rostoványi

András Rostoványi

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Journalist und Whistleblower

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András Rostoványi

Journalist und Whistleblower

„Es besteht immer die Möglichkeit, dass die Regierung Pegasus gegen mich einsetzt, ein Spionagesystem, das Ihr Telefon abhören kann.“

VITA

András Rostoványi ist ein ungarischer Journalist und Whistleblower. In einem Land, in dem die regierende Fidesz-Partei die Medien unter Beschuss nimmt, kämpft er gegen den Einfluss der Politik an. Er begann seine berufliche Laufbahn im Jahr 2015 als Auslandsredakteur bei den ungarischen Staatsmedien (MTVA), wo leitende Redakteure ihn regelmäßig zu einer Fidesz-freundlichen Berichterstattung drängten. Rostoványi versuchte jedoch, sich diesem Druck zu widersetzen und die Öffentlichkeit in verschiedener Weise hierüber zu informieren. Er wirkte in der ZDF-Doku „Ungarn – Propaganda gegen Pressefreiheit” mit, wo er vor der Kamera aus erster Hand über seine Erfahrungen berichtete. Nach seinem Weggang von MTVA Ende 2019 wurde er Auslandsredakteur bei Népszava, der letzten noch verbleibenden unabhängigen politischen Tageszeitung Ungarns. Dort ist er für die ungarische Außenpolitik, die Politik der USA, die MENA-Region und Asien und für Menschenrechtsfragen zuständig. Es ist sein Ziel, ganz normalen Bürger und Bürgerinnenn, Bürger und Bürgerinneninnen und Aktivisten eine Stimme zu geben, um die Auswirkungen komplexer geopolitischer Entwicklungen auf lokale Bevölkerungsgruppen zu zeigen.

Sie haben bei den ungarischen Staatsmedien gearbeitet. Wann wurde Ihnen bewusst, dass Sie dort aufhören müssen?

Nur um Ihnen ein paar Hintergrundinformationen zu geben: Die ungarischen Staatsmedien stellten viele junge Journalisten und Journalistinnen und Journalistinenn auf einmal ein (darunter war auch ich), weil sie die Belegschaft aufstocken mussten, um ihren neuen Nachrichtenkanal aufzubauen. Die Geschäftsleitung schien darauf zu bauen, dass die meisten Neulinge jung und unerfahren sind und sich somit problemlos dazu bewegen lassen, Anweisungen wie Soldaten auszuführen, ohne Fragen zu stellen. Einigen von uns war jedoch durchaus bewusst, dass das Fernsehen unter dem Einfluss der regierenden Partei Fidesz steht. Ich dachte sogar, wir könnten es von innen heraus verändern, um den Einfluss loszuwerden. Aus diesem Grund begann ich auch, für den staatlichen Sender zu arbeiten. Ich trug mich mehr als einmal mit dem Gedanken, zu kündigen, doch die endgültige Entscheidung fiel während einer Redaktionssitzung vor den Europawahlen. Auf der Sitzung, die einer von uns heimlich aufzeichnete, sagte der Leiter des Auslandsteams, dass wir der Linie der Regierung folgen müssten oder kündigen sollten. Das war kein Schock, denn wir alle verstanden, dass man genau das von uns erwartete. Danach konnte ich jedoch nicht mehr behaupten, ich würde nicht verstehen, was bei den staatlichen Medien vor sich geht. Ich ging dann schließlich ein halbes Jahr später und fand eine neue Stelle bei Népszava, doch meine letzten Arbeitswochen bei den Staatsmedien waren sehr hart.

Ich dachte, mein Job wäre es, unparteiisch und unvoreingenommen zu sein. Aber auf der Sitzung wurden wir vom Abteilungsleiter gedrängt, uns bei unserer journalistischen Arbeit an der Meinung der Regierung zu orientieren, und das ist kein öffentlicher Medienjournalismus.

Welchen wichtigen Einfluss haben Menschenrechtsverteidiger?

Ich schätze Menschenrechtsverteidiger sehr und bewundere ihren Mut, auch die repressivsten Regime offen zu kritisieren. Einmal habe ich Joshua Wong interviewt, einen 27 Jahre alten Demokratieaktivisten aus Hongkong. Während der COVID-19-Pandemie protestierte er in dem Videospiel „Animal Crossing”, indem er seine virtuelle Insel mit einem Spruchband mit der Aufschrift „Freies Hongkong, Revolution jetzt” versah. Anschließend teilte er auf Twitter einen Screenshot, woraufhin sich weitere Aktivisten dem Protest anschlossen. Als Reaktion darauf nahmen chinesische Online-Shops das Spiel aus den Regalen. Jetzt sitzt er wegen mehrerer fingierter Anklagen in einem Hongkonger Gefängnis. Mich hat vor allem verblüfft, wie kreativ er war.

Fühlen Sie sich bei Ihrer journalistischen Arbeit oder im Alltag von der Fidesz-Regierung oder von anderer Seite unter Druck gesetzt?

Es gibt einen gewissen politischen Druck gegen unsere Zeitung Népszava. Wir sind die meistgelesene Tageszeitung. Und dennoch schrecken so gut wie alle Unternehmen in Ungarn de facto davor zurück, bei uns Anzeigen zu kaufen, da sie befürchten, den Zugang zu Ausschreibungen der Regierung zu verlieren und von den ungarischen Behörden schikaniert zu werden. Überdies ist es schwierig, zusätzliche Einnahmen aus dem Ausland zu erzielen, da unsere Zeitung nur in ungarischer Sprache erscheint.

Was den Druck angeht, dem ich persönlich ausgesetzt bin, fallen mir zwei Situationen ein. Zunächst einmal werden einige meiner Stellungnahmen auf der regierungsnahen Website Mandiner von Zeit zu Zeit aus dem Zusammenhang gerissen zitiert. Das weiß ich, da ich üblicherweise eine oder zwei hasserfüllte E-Mails oder Facebook-Nachrichten bekomme. Ich reagiere in der Regel höflich darauf und frage: Was ist das Problem? Ich antworte auf diese Hassnachrichten, denn ich will zeigen, dass ich auch ein Mensch bin. Ich bin ihr Landsmann, der Ungarn liebt, aber anders denkt. In dieser polarisierten Gesellschaft ist es ein Leichtes, andere zu entmenschlichen. Es besteht immer die Möglichkeit, dass die Regierung Pegasus gegen mich einsetzt, ein Spionagesystem, das Ihr Telefon abhören kann. Dann denke ich mir, dass ich nicht viel zu verbergen habe. Und ich habe noch einige Asse im Ärmel, die mir Sicherheit geben. Eine weitere Form von Druck, die in Medien in Erscheinung tritt, sind Verleumdungskampagnen gegen bestimmte Personen. Diese Kampagnen sind in den der Partei Fidesz nahe stehenden Medien inzwischen leider genormt.

Welche Veränderungen könnten die Unabhängigkeit der Medien in Ungarn verbessern?

Zunächst einmal könnte die EU die Zusammenarbeit zwischen europäischen Medien in meinen Augen ein Stück weit unterstützen, indem sie einen gemeinsamen Dialog fördert und den Medien auf diese Weise hilft, Verbindungen untereinander aufzubauen. Es ist oftmals schwierig, als Außenstehender über die Probleme eines anderen Landes zu schreiben. Internationale Kontakte könnten Journalisten und Journalistinnen die Berichterstattung über ausländische Themen wesentlich erleichtern. Außerdem denke ich nicht, dass aus ausländischen Quellen stammende Investitionen allein helfen würden, die Unabhängigkeit der Medien in Ungarn zu stärken. Tatsächlich können Investitionen aus dem Ausland auch Verleumdungskampagnen der Regierung gegen die Empfänger der Mittel auslösen. Bei solchen Kampagnen kann die Regierung bestimmten Zeitungen vorwerfen, durch ihre Abhängigkeit vom Geldgeber ausländischen Interessen zu dienen. Die ungarische Regierung und Fidesz-nahe Medien greifen bereits auf diese Strategie zurück, indem sie einige Medien als Teil der so genannten „Dollarmedien” bezeichnen. Kurz und gut, jede ausländische Unterstützung kann die eigene Glaubwürdigkeit in den Augen der politischen Führung schmälern. 

Darüber hinaus möchte ich erwähnen, dass Medienkompetenzworkshops sich mit dem Problem der Propaganda, die die ungarische Gesellschaft oftmals nicht erkennt, auseinandersetzen könnten. Schließlich bestünde auch die Möglichkeit, dass die Europäische Union Unterstützung leistet, indem sie dafür sorgt, dass Big-Tech-Unternehmen ihre Werbeeinnahmen weiterleiten und dass vertrauenswürdige Nachrichtenanbieter in den Algorithmen solcher Unternehmen eine Aufwertung erfahren, vergleichbar demsiehe hierzu das australischen Modell.

Die EU sollte darauf dringen, dass Plattformen Verantwortung für ihre eigenen Inhalte übernehmen. Es sollte möglich sein, eine Plattform zu bestrafen, wenn sie Falschinformationen verbreitet oder im Gegenzug für Werbeeinnahmen Verleumdungskampagnen unterstützt.

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