Mexiko
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Menschenrechtsanwalt
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„Wenden Sie Ihren Blick nicht davon ab, was in Mexiko und Lateinamerika geschieht. Die Region zeigt, wie schnell Populismus und Autoritarismus Jahrzehnte des demokratischen Fortschritts zunichte machen können.“
VITA
Leopoldo Maldonado ist ein mexikanischer Menschenrechtsanwalt und Regionaldirektor des ARTICLE 19-Büros für Mexiko und Zentralamerika. Er verfügt über 20 Jahre Erfahrung in der Führung strategischer Rechtsstreitigkeiten, im Bereich Advocacy sowie bei politischen Bemühungen zum Schutz der Meinungsfreiheit und des Zugangs zu Informationen in der gesamten Region. Von 2018 bis 2019 war er Mitglied des Beirats des mexikanischen Schutzmechanismus auf Bundesebene für Menschenrechtsverteidiger und Journalisten. Er hat an hochrangigen Foren bei der UNO, der Organisation Amerikanischer Staaten (OAS) und anderen internationalen Organisationen mitgewirkt und setzt sich für einen stärkeren Schutz von Journalisten und des zivilgesellschaftlichen Raums ein. Maldonado hat einen Abschluss in Jura und einen Master in Menschenrechten von der Universidad Iberoamericana. Er beteiligt sich regelmäßig an öffentlichen Debatten in den wichtigsten lateinamerikanischen Medien und ist Mitverfasser mehrerer Berichte und Artikel über Meinungsfreiheit, digitale Rechte und Autoritarismus in der Region.
Organisationen wie Article 19 haben mit Journalisten, Menschenrechtsaktivisten und verschiedenen Gemeinschaften in von Gewalt und Straflosigkeit geprägten Kontexten zusammengearbeitet. Warum setzen sich Ihrer Erfahrung nach zivilgesellschaftliche Organisationen für die Menschenrechte in Mexiko ein?
Leider hat Mexiko in den letzten Jahren einen deutlichen demokratischen Rückschritt erlebt, am deutlichsten im Bereich der freien Meinungsäußerung, einem entscheidenden Indikator für den Zustand einer Demokratie. Mexiko ist derzeit das gefährlichste Land für Journalisten in Nord- und Südamerika und das tödlichste Land der Welt außerhalb aktiver Kriegsgebiete. Auch in vielen anderen Bereichen sind Rückschläge, beispielsweise hinsichtlich von Transparenz zu verzeichnen. Institutionen, die den Zugang zu Informationen gewährleisten sollen, wurden aufgelöst und es wurden Versuche unternommen, abweichende Meinungen im Internet zu zensieren. Außerdem gibt es immer wieder digitale Angriffe von regierungsnahen Gruppen, die es auf kritische Stimmen abgesehen haben, auch auf unsere. Article 19 musste diese Angriffe lange Zeit über sich ergehen lassen, weil Kritik nicht toleriert wird und versucht wird, eine einheitliche Weltanschauung durchzusetzen. In unserem Verständnis, das auf demokratischen Werten und Menschenrechten basiert, müssen jedoch alle Stimmen gleichwertig sein und die gleichen Chancen haben, gehört zu werden.
Welchen Hindernissen begegnet die Zivilgesellschaft in Mexiko, wenn es darum geht, die Grundrechte zu garantieren? Wie wirken sich diese Herausforderungen auf Ihre alltägliche Arbeit aus?
Wir bei Article 19 sind in den letzten Jahren mit vielen Stigmatisierungen seitens der Regierung konfrontiert gewesen. Wir wurden sowohl auf den öffentlichen Plattformen der Bundesregierung als auch bei den lokalen Regierungen stark diskreditiert. Außerdem werden wir in unserer Arbeit als zivilgesellschaftliche Organisationen immer stärker eingeschränkt, angefangen bei steuerlichen Aspekten bis hin zu den rechtlichen Rahmenbedingungen; der mexikanische Staat erlegt uns immer mehr Zwänge auf. Die Auflösung des Nationalen Instituts für Transparenz hat unsere Fähigkeit, Missstände zu untersuchen und aufzudecken, stark beeinträchtigt. Und die wachsende Bedrohung durch eine Justiz, die von der Regierungspartei dominiert wird, steht unmittelbar bevor. Die Unabhängigkeit der Justiz ist für die Verteidigung von Rechten unerlässlich, zumal ein großer Teil unserer Arbeit aus strategischen Gerichtsverfahren zum Schutz der Meinungsfreiheit besteht. Wir sind also nicht nur mit direkten Angriffen konfrontiert, sondern auch mit umfassenderen strukturellen Bedrohungen, nämlich der Aushöhlung der gegenseitigen Kontrolle, dem Zusammenbruch der Rechenschaftspflicht und einem schrumpfenden zivilgesellschaftlichen Raum. All dies wirkt sich stark auf unsere tägliche Arbeit und die Zukunft der Demokratie in Mexiko aus.
Viele Organisationen arbeiten unter extremen Risiken. Welche Mechanismen des kollektiven Schutzes oder der Resilienz haben sich als besonders wirksam erwiesen, um die Arbeit von Menschenrechtsverteidigern in Mexiko zu unterstützen?
Es ist klar, dass Angriffe auf die Presse und die organisierte Zivilgesellschaft Teil der autoritären Strategie geworden sind. Keine einzelne Organisation kann dem alleine standhalten. Wir haben festgestellt, dass die öffentliche Unterstützung durch unsere Kollegen und Verbündeten ein wichtiger Mechanismus für unsere Widerstandskraft ist. Sie haben ihre Stimme zu unseren Gunsten erhoben und heben unsere Arbeit und unseren Beitrag zu Demokratie und Menschenrechten hervor. Es ist eine wertvolle Hilfe, wenn alle Organisationen öffentlich Stellung beziehen und diejenigen unterstützen, die angegriffen werden. Auch wenn die Angst groß ist, selbst stigmatisiert oder angegriffen zu werden, bleibt der Mut der zivilgesellschaftlichen Organisationen entscheidend, um sicherzustellen, dass wir nicht von diesen zunehmend autokratischen Regierungen überrollt werden.
Welche dringenden Forderungen stellen zivilgesellschaftliche Organisationen angesichts des schrumpfenden demokratischen Raums und der Kriminalisierung von Protesten in Mexiko an die Regierung und an die internationale Gemeinschaft?
Unser Appell an die internationale Gemeinschaft ist klar: Verliert Mexiko nicht aus dem Blick, denn hier ist der Prozess der demokratischen Erosion an mehreren Fronten sichtbar: Angriffe auf die Unabhängigkeit der Justiz, die Zerschlagung autonomer Institutionen (insbesondere derjenigen, die mit Transparenz zu tun haben), Versuche, das Internet zu zensieren, und die Militarisierung des Staates. Wir fordern die internationale Gemeinschaft außerdem auf, sich nicht von der Vorstellung einer fortschrittlichen mexikanischen Regierung täuschen zu lassen. Nur weil sie sich einer fortschrittlichen Rhetorik bedient oder Positionen vertritt, die der US-Regierung die Stirn bieten, heißt das nicht, dass sie nicht autoritär ist. Die heutige mexikanische Regierung hat Vieles mit autoritären Führern wie Donald Trump oder Nayib Bukele gemeinsam. Autoritarismus, egal ob von links oder rechts, sieht in der Praxis oft ähnlich aus. In Mexiko findet ein Prozess der Aushöhlung von Demokratie statt, der uns die grundlegenden Voraussetzungen für die Verteidigung unserer Rechte entzieht und die Rechtsstaatlichkeit und Demokratie selbst untergräbt.
Was treibt Sie persönlich und beruflich an, sich weiterhin für die Menschenrechte einzusetzen?
Was mich antreibt, ist eine tiefe ethische Empörung über Ungerechtigkeit. Von klein auf habe ich mich in sozialen Projekten zur Armutsbekämpfung, zur Unterstützung von Migranten, zum Widerstand gegen die Zensur und zur Verteidigung von Opfern willkürlicher Inhaftierung und Folter engagiert. Da ich in einem Land lebe, in dem es so viel systembedingte Ungerechtigkeit gibt, habe ich mich immer verpflichtet gefühlt, zu handeln. Jetzt, als Vater, ist diese Verpflichtung noch persönlicher geworden. Ich möchte zu einer Welt beitragen, in der meine Kinder in Würde, Gerechtigkeit und Freiheit aufwachsen können. Vielleicht ist das eine persönliche oder sogar egoistische, ich denke aber vor allem, eine sehr starke Motivation. Ich glaube immer noch, dass es sich lohnt, für eine gerechtere und menschlichere Gesellschaft zu kämpfen.
Was ist Ihre Botschaft an die Vertreter der Zivilgesellschaft in aller Welt?
An die Akteure der Zivilgesellschaft in aller Welt: Wenden Sie Ihren Blick nicht davon ab, was in Mexiko und Lateinamerika geschieht. Die Region zeigt, wie schnell Populismus und Autoritarismus Jahrzehnte des demokratischen Fortschritts zunichte machen können. Der Rückschritt, den wir gerade erleben, hat Menschenleben gekostet und die unermüdliche Arbeit zahlloser zivilgesellschaftlicher Organisationen zunichte gemacht. Aber so wie autoritäre Regime voneinander lernen und sich Taktiken abschauen, müssen wir das auch. Unsere Widerstandsstrategien, Mechanismen der Resilienz und Modelle der Zusammenarbeit müssen wir miteinander teilen. Ich glaube, dass es wichtig ist, das absolute Minimum an Demokratie zu schützen. Vielleicht sind wir in diesem historischen Moment nicht in der Lage, die Rechte viel weiter voranzutreiben, aber wir müssen uns darüber im Klaren sein, dass wir die Mindestbedingungen verteidigen müssen, die notwendig sind, um zu verhindern, dass unsere jungen Demokratien sterben.
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