Ecuador
Ecuador
Ecuador
Journalist
Journalist
Journalist
Ecuador
Journalist
„In der gesamten Andenregion, in Venezuela, Nicaragua und Kuba, erleben wir die alarmierende Festigung autoritärer Regime – Regime, die durch Repression und Wahlbetrug gestützt werden.“
VITA
César Ricaurte ist ein ecuadorianischer Journalist mit einer bemerkenswerten Erfolgsbilanz bei der Verteidigung von Meinungsfreiheit und Menschenrechten in Lateinamerika. Als Gründer und geschäftsführender Direktor von Fundamedios hat er die Organisation zu einem regionalen Bezugspunkt für den Schutz von Journalisten und für die Förderung eines unabhängigen Journalismus gemacht. Für seine Arbeit erhielt er mehrere renommierte Auszeichnungen, darunter den Großen Preis für Pressefreiheit (Gran Premio Chapultepec) der Inter American Press Association und den Deutsch-Französischen Preis für Menschenrechte. 2012 wurde er von Präsident Barack Obama als einer der prominentesten Aktivisten für die Meinungsfreiheit genannt. Er war 2017 Reagan-Fascell Fellow (National Endowment for Democracy, Washington D.C.) und 2023 Fellow der International Academy for Leadership (FNF, Deutschland). Zwischen 2002 und 2008 war er ein prominenter Kolumnist in der ecuadorianischen Presse und der erste Fernseh-Ombudsmann des nationalen Rundfunks. Derzeit leitet er strategische Initiativen in Ecuador und in der Andenregion und arbeitet mit Netzwerken zur Menschenrechtsverteidigung in Ländern wie Nicaragua und El Salvador zusammen - immer geleitet von demokratischen Werten, Solidarität und einem tiefen Engagement für die Menschenrechte.
Was ist der Schwerpunkt Ihrer journalistischen Arbeit, insbesondere in Ihrer Rolle als Vertreter der Zivilgesellschaft, und wie trägt sie zur Stärkung der Menschenrechte und der Demokratie in Ecuador bei?
Seit fast zwei Jahrzehnten konzentriert sich meine Arbeit auf den Aufbau eines Ökosystems, in dem unabhängiger Journalismus überleben und seine wesentliche demokratische Rolle erfüllen kann: die Machthaber zur Rechenschaft zu ziehen, den Stimmen marginalisierter Gemeinschaften Gehör zu verschaffen und eine informierte und engagierte Bürgerschaft zu fördern. Als Gründer und Direktor von Fundamedios bin ich zu der Erkenntnis gelangt, dass die Verantwortung eines Journalisten über die Berichterstattung hinausgeht. Wir sind auch aktive Verteidiger des Grundrechts, Informationen zu suchen, zu erhalten und weiterzugeben. In einem autoritären Umfeld oder in von organisierter Kriminalität betroffenen Kontexten – wie beispielsweise derzeit in Ecuador - bedeutet dies, dass wir uns der Repression widersetzen, Journalisten schützen, Opfer unterstützen und die Reaktionen der Zivilgesellschaft koordinieren. Das Recht auf freie Meinungsäußerung ist der Grundstein für alle Menschenrechte. Sie zu verteidigen, bedeutet letztlich eine Verteidigung der Demokratie an sich.
Welche persönlichen oder beruflichen Erfahrungen haben Sie dazu veranlasst, sich sowohl journalistisch als auch zivilgesellschaftlich für die Verteidigung der Grundrechte einzusetzen?
Ich bin in einem Land aufgewachsen, in dem man als Journalist sein Leben aufs Spiel setzen musste – selbst in einem demokratischen System. Ich habe miterlebt, wie Kollegen ins Exil gezwungen wurden und habe den Familien von ermordeten Journalisten in ihrer Trauer zur Seite gestanden. Während der Präsidentschaft von Rafael Correa wurde ich systematisch verfolgt, weil ich Missstände in der Regierung aufdeckte. Diese Erfahrung hat mich davon überzeugt, dass es nicht ausreicht, Meinungsartikel zu schreiben – wir müssen uns organisieren und gemeinsam handeln. Ich habe Fundamedios gegründet, weil ich verstanden habe, dass sich Rechte nicht von selbst verteidigen, sondern aktiv geschützt werden müssen. Meine Überzeugung hat auch meinen Weg geprägt. Ich glaube, dass Journalismus eine Form des öffentlichen Dienstes ist. Wie Ryszard Kapuściński sagte: "Um ein guter Journalist zu sein, muss man zuerst ein guter Mensch sein." Ich habe immer versucht, nach diesem Grundsatz zu leben.
Wie beurteilen Sie als Akteur der Zivilgesellschaft den aktuellen Stand der Meinungs- und Pressefreiheit in Ecuador und in der Andenregion? Welche Trends haben Sie in den letzten Jahren beobachtet, insbesondere aus der Sicht der Zivilgesellschaft?
Wir leben in einer paradoxen Situation. Während einige Länder repressive Gesetze wie das frühere "Knebelgesetz" in Ecuador abgeschafft haben, sind neue und ernsthafte Bedrohungen entstanden. Dazu gehören der Anstieg der organisierten Kriminalität, die zunehmend prekären Bedingungen und die Gefährdung der journalistischen Arbeit sowie die wachsende politische Polarisierung, die kritische Medienstimmen stigmatisiert. In der gesamten Andenregion erleben wir die alarmierende Verfestigung autoritärer Regime, in Venezuela, Nicaragua und Kuba – es sind Regime, die durch Repression und Wahlbetrug gestützt werden. Autoritäre Tendenzen sind auch in Ländern wie Peru, El Salvador, Kolumbien und Paraguay auf dem Vormarsch, während es in Bolivien, Ecuador und anderen Ländern zu schweren demokratischen Rückschlägen gekommen ist. Gleichzeitig werden Desinformationen systematisch als Mittel der politischen Manipulation und sozialen Kontrolle eingesetzt. Als Reaktion darauf musste sich die Zivilgesellschaft auf ein zunehmend unbeständiges und gefährliches Umfeld einstellen. Dies erforderte einen vielschichtigen Ansatz, der öffentliche Anprangerung mit Schutzmechanismen, der Förderung von Medienkompetenz und dem Aufbau belastbarer regionaler Solidaritäts-Netzwerke kombiniert.
Welche Maßnahmen sind Ihrer Meinung nach dringend erforderlich, um den Schutz von Journalisten und Aktivisten der Zivilgesellschaft in Ecuador zu verbessern? Inwieweit sind Sie persönlich an diesen Bemühungen beteiligt?
Es besteht ein dringender Bedarf an einer umfassenden Politik zum Schutz der Öffentlichkeit. Diese sollte Notfallprotokolle, Präventionsmechanismen, psychosoziale Unterstützung und gerichtliche Schutzmaßnahmen umfassen, um die Straflosigkeit wirksam zu bekämpfen. Ebenso wichtig ist es, die gesetzlichen Rahmenbedingungen zu reformieren, die Proteste oder die Verbreitung kritischer Informationen unter Strafe stellen. Bei Fundamedios haben wir uns aktiv für Kooperationsvereinbarungen mit der Nationalen Polizei eingesetzt und wir haben Angriffe auf die Presse überwacht, Nothilfefonds verwaltet und gefährdeten Journalisten sowohl juristische als auch psychologische Unterstützung gewährt. Auf persönlicher Ebene habe ich mich öffentlich zu Fällen mit hohem Risiko geäußert, regionale Initiativen wie das Netzwerk Voces del Sur geleitet und verfolgte Kollegen verteidigt, auch vor internationalen Menschenrechtsgremien. Diese Arbeit ist nicht nur eine berufliche Verpflichtung – sie ist eine zutiefst ethische Verpflichtung.
Was gibt Ihnen Hoffnung und Motivation, Ihre Arbeit fortzusetzen? Welche Vision haben Sie für die Zukunft des unabhängigen Journalismus und für die Beteiligung der Zivilgesellschaft in Ecuador?
Mich inspiriert die alltägliche Widerstandsfähigkeit der Journalisten in den Provinzen, die trotz knapper Ressourcen ihre Arbeit fortsetzen, ebenso wie die jungen Menschen, die an die Kraft der Wahrheit als Katalysator für Veränderungen glauben. Hoffnung schöpfe ich auch aus unserer wachsenden Fähigkeit, grenzüberschreitende Solidarität aufzubauen und ein Gemeinschaftsgefühl zu fördern, wenn Widrigkeiten auftreten. Ich glaube, dass die Zukunft des Journalismus in der Entwicklung neuer Organisations- und Nachhaltigkeitsmodelle liegt, während wir gleichzeitig durch Ehrlichkeit, Einfühlungsvermögen und ein erneuertes Zielbewusstsein wieder eine Verbindung zum Publikum herstellen. Die Zivilgesellschaft ihrerseits muss ihre Rolle als Hüterin der Grundrechte zurückgewinnen. Wir sind keine passiven Beobachter, sondern aktive Teilnehmer an dem anhaltenden Kampf für Demokratie.
Welche Rolle sollten Ihrer Meinung nach die internationale Gemeinschaft, multilaterale Organisationen und unabhängige Medien beim Schutz von Menschenrechtsverteidigern in repressiven Kontexten spielen?
Ihre Rolle muss tatsächlich unterstützend sein und darf nicht nur symbolischer Natur sein. Öffentliche Erklärungen der Besorgnis sind wichtig, aber sie müssen mit konkreten Maßnahmen einhergehen: anhaltender diplomatischer Druck, flexible Finanzierung, erhöhte internationale Sichtbarkeit und effektive Schutzmechanismen. Internationale Menschenrechtsgremien müssen gestärkt werden, damit sie in Zeiten erhöhter Gefahr schnell und entschlossen reagieren können. Unabhängige Medien im Ausland sollten aktiv mit lokalen Journalisten zusammenarbeiten, um deren Berichte zu verbreiten und ihr Leben zu schützen. Vor allem darf die internationale Gemeinschaft uns nicht nur als Empfänger von Solidarität betrachten, sondern sollte uns als Partner in einem gemeinsamen und dringenden Kampf für die Wahrung demokratischer Werte und Grundfreiheiten wahrnehmen.
Ecuador