Ägypten-Tunesien

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Das Déjà-vu

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Das Déjà-vu

Von Mohammed Mostafa

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Ägypten-Tunesien

Das Déjà-vu

Von Mohammed Mostafa

„Tunesien war die letzte Hoffnung auf Demokratie in dieser Region“

VITA

Mohammed Mostafa ist ein ägyptischer Menschenrechts- und Demokratieaktivist und Forscher auf dem Gebiet der Meinungsfreiheit, der Rechte von Studenten und der akademischen Freiheit. Mostafa verfügt über umfangreiche Erfahrung in der Arbeit mit zivilgesellschaftlichen Organisationen wie der Ägyptischen Kommission für Rechte und Freiheiten und der Abteilung für Recht und Gesellschaft an der Amerikanischen Universität Kairo, wo er Programme zu wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Rechten konzipierte und die Entwicklungen im Bereich der Menschenrechte beobachtete. Derzeit ist er Exekutivdirektor der „Intersection Association for Rights and Freedoms“. Mostafa hat zahlreiche Berichte, Kurzdarstellungen und Meinungsartikel verfasst. Außerdem hat er Kampagnen und Workshops zu den Rechten und Freiheiten von Studenten koordiniert. In Tunesien hat er im Exil zahlreiche Berichte über institutionelle Menschenrechtsverletzungen in Bezug auf die Meinungsfreiheit und das Recht auf friedliche Versammlung verfasst.

Wir alle kennen das Déjà-vu-Phänomen. Die Bedeutung von Déjà-vu ist auf Deutsch: „schon einmal gesehen“. Es handelt sich um ein französisches Wort, bei dem eine Person das Gefühl hat, dass sich eine Situation oder Szene wiederholt, obwohl sie noch nie stattgefunden hat, oder sie hat das Gefühl, dass sie ein Ereignis oder einen Ort, den sie zum ersten Mal besucht, oder eine Person, die sie noch nie gesehen hat, bereits gesehen hat.

Ich war 22 Jahre alt, als der Militärputsch in Ägypten im Juli 2013 stattfand. Als studentischer Aktivist war ich Zeugin aller Menschenrechtsverletzungen, die das Regime in Ägypten begangen hat, und wurde dann wissenschaftlicher Mitarbeiter bei einer ägyptischen Organisation namens Egyptian Commission for Rights and Freedoms (ECRF). Meine Arbeit dort konzentrierte sich auf die Überwachung und Dokumentation von Verstößen gegen die Meinungsfreiheit, die Rechte und Freiheiten von Studenten und die akademische Freiheit. Zusammen mit meinen Kollegen wurde ich Zeuge zahlreicher Verstöße gegen Menschenrechtsverteidigerinnen und -verteidiger in Ägypten. Ich erlebte die Verhaftung des Vorsitzenden des Kuratoriums der Organisation, ihres Geschäftsführers, seiner Frau und dreier weiterer Kollegen sowie das sechsmonatige gewaltsame Verschwinden meines Kollegen Ibrahim Ezz El-Din.

Es ist psychologisch und physisch nicht einfach, mitzuerleben, wie Kollegeninnen und Kollegen und Freunde am Arbeitsplatz, die eigentlich die Menschenrechte verteidigen sollten, diesen Verletzungen ausgesetzt sind.

Es ist keineswegs einfach, wenn Ihre Kollegeninnen und Kollegen ebenfalls Opfer von Menschenrechtsverletzungen werden und Sie deren Fälle dokumentieren und darüber schreiben. Ägypten ist zu einem extrem feindlichen Umfeld für die Menschenrechtsarbeit geworden. Die Behörden haben den öffentlichen Raum vollständig abgeschottet, und jeder ist der Gefahr ausgesetzt, verhaftet zu werden oder zu verschwinden.

Ich sah mich potenziellen Sicherheitsrisiken ausgesetzt und zog daher im Rahmen eines internationalen Programms zum Schutz gefährdeter Menschenrechtsverteidigerinnen und –verteidigern nach Tunesien. Ich kam im Juli 2019 in Tunesien an. Zu dieser Zeit war Tunesien ein Zentrum für viele internationale Menschenrechts-NGOs und Menschenrechtsverteidigerinnen und -verteidiger. Es war auch das einzige Land unter demokratischer Herrschaft inmitten des Scheiterns der Revolutionen des Arabischen Frühlings. Es war kein Land, in dem Rechte und Freiheiten uneingeschränkt geachtet wurden, aber es war weit besser als seine Nachbarn in der MENA-Region. Während dieser Zeit in Tunesien wurde ich Zeuge zahlreicher Verstöße, insbesondere gegen das Recht auf friedliche Versammlung, bei denen die Polizei gegen viele Proteste vorging und Demonstranten getötet wurden. Ich habe dies dokumentiert und im Rahmen meiner Arbeit bei der „Intersection Association for Rights and Freedoms“ Interviews mit den Opfern dieser Verstöße geführt. Die Kultur der Angst war unter Aktivisten und Menschenrechtsverteidigerinnen und -verteidigern trotz dieser Verstöße nicht weit verbreitet.

Am Abend des 25. Juli 2021, dem Tag der Republik Tunesien, der den Übergang Tunesiens von einer Monarchie zu einer Republik markiert, beschloss Präsident Kais Saied, das gewählte tunesische Parlament auszusetzen, Teile der Verfassung außer Kraft zu setzen und alle Befugnisse in seine Hände zu legen.

Die tunesische Bevölkerung ging auf die Straße, um die Entmachtung der Islamisten zu feiern. Hier hatte ich das Gefühl einem Déjà- vu.

Nachdem Sisi Mohamed Morsi entmachtet hatte, gingen Millionen von Menschen in Ägypten auf die Straße, um zu feiern. Die Angst machte sich breit, und ich sah, wie sich meine Freunde und Kolleginnen und Kollegen über diesen Sieg freuten. Aber es ist unmöglich, dass die Voraussetzungen, Handlungen und Verhaltensweisen ähnlich sind und wir andere Ergebnisse erwarten können!

In den fast drei Jahren seit Kais Saieds Machtergreifung hat er im Alleingang und ohne Beteiligung aktiver politischer Kräfte die tunesische Verfassung geändert, Parlamentswahlen abgehalten, an denen das Volk nicht in gleichem Maße beteiligt war wie zuvor, und zahlreiche Gesetze und Dekrete erlassen, mit denen das Recht auf Meinungsfreiheit und freie Meinungsäußerung sowie die Freiheit der journalistischen Arbeit verletzt wurden, wie etwa sein Dekret Nr. 54 aus dem Jahr 2022. Auf der Grundlage dieses Dekrets werden derzeit mehr als 30 Aktivisten, Politiker und Journalisten wegen Kritik an der herrschenden Regierung verfolgt. Im Februar 2023 leitete das herrschende Regime eine groß angelegte Verhaftungskampagne gegen Gegner verschiedener politischer Kräfte ein und beschuldigte sie, sich gegen die Sicherheit des Staates verschworen zu haben. Das Gleiche geschah in Ägypten, allerdings in einem schnelleren Tempo und mit viel größerer Brutalität. Im selben Monat entfachte Präsident Kais Saied eine breit angelegte rassistische Kampagne gegen Migranten aus Ländern südlich der Sahara, was die Polizeikräfte dazu veranlasste, eine systematische Kampagne zu starten, um sie gewaltsam abzuschieben, was bei einigen von ihnen zu Folter und Tod führte.

Es ist den Menschen nicht mehr verborgen geblieben, dass Präsident Kais Saied beabsichtigt, die Macht zu monopolisieren und nach der Zeit der Demokratie wieder eine Diktatur ins Land zu bringen.

Jetzt sind alle Menschenrechtsaktivisten in Tunesien der Gefahr ausgesetzt, wegen ihrer Menschenrechtsaktivitäten verhaftet zu werden. Meinungsfreiheit und freie Meinungsäußerung gibt es in Tunesien nicht mehr. Jegliche Kritik an der herrschenden Regierung, sei es auf Plattformen der sozialen Medien, in Fernsehsendungen oder im Radio, wird gemäß Dekret 54 sofort bestraft. Einige Politiker und Medienschaffende befinden sich deshalb inzwischen im Gefängnis. Darüber hinaus verhaftete das Regime ab Mai 2024 den Leiter einer Menschenrechtsorganisation und einen ehemaligen Leiter einer anderen Organisation und lud zahlreiche Mitarbeiter der Zivilgesellschaft wegen ihrer Aktivitäten zur Unterstützung von Migranten aus Ländern südlich der Sahara in Tunesien zu Ermittlungen vor.

Jetzt habe ich das Gefühl, dass ich die gleichen Ereignisse zweimal erlebt habe, einmal in Ägypten und jetzt in Tunesien. Das Traurigste ist, Tunesien war die letzte Hoffnung auf Demokratie in dieser Region, die nun schwindet. Ich habe Angst um meine Freunde und Kollegen in Ägypten, und jetzt habe ich das gleiche Gefühl für meine Kollegen in Tunesien und mich selbst, denn Tunesien ist kein sicheres Land mehr für Menschenrechtsverteidigerinnen und -verteidiger.

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