SYRIEN

Anwälte in Konfliktsituationen

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Anwälte in Konfliktsituationen

Am 20. Mai 2022 ist der syrische Anwalt Mazen Khaled Salah in Frankreich eingetroffen, nachdem er neun Jahre in staatlichen Gefängnissen verbracht hat. Am 23. Mai hat The Time ihre Liste der 100 einflussreichsten Persönlichkeiten herausgebracht. In diesem Jahr standen darauf auch zwei syrische Anwälte und ehemalige politische Gefangene, Mazen Darwish und Anwar Al-Bunni. Der lange Weg von Mazen Salah, Mazen Darwish und Anwar Al-Bunni fasst das Martyrium zusammen, das syrische Anwälte, die sich für Menschenrechte einsetzen, ertragen müssen, und gibt Aufschluss über ihre großartigen Errungenschaften. Die meisten Anwälte, Anwältinnen und juristischen Netzwerke, die zurzeit die Menschenrechte in Syrien verteidigen, entstanden während des sogenannten „Damaszener Frühlings“ 2000. Während bereits 2004 hart gegen diese Aktivisten und Menschenrechtsorganisationen vorgegangen wurde, spielten sie eine entscheidende Rolle bei der Förderung und Verbreitung der Ideen zu Menschenrechten, öffentlichen Freiheiten und Demokratie, die schließlich von den friedlichen Demonstranten von 2011 aufgestellt wurden.

Im Jahr 2022 hat sich die Situation der syrischen Menschenrechtsverteidiger seit Unterdrückung der Proteste von 2011, bei denen Anwälte bevorzugte Ziele waren, dramatisch verschlechtert. Viele von ihnen wurden unter anderem willkürlich festgenommen, verschwanden, wurden böswillig verfolgt, mit Mord bedroht und in ihrer Bewegungsfreiheit eingeschränkt. Tatsächlich sind die Bedingungen, unter denen sie derzeit im Inneren arbeiten, alles andere als beneidenswert. In Gebieten, die unter der Kontrolle der syrischen Regierung stehen, können Anwälte offiziell vor Gerichte, auch Militärgerichte, treten und ihren Fall vorbringen. Sobald die Fälle jedoch politische Gefangene betreffen, wird die Verteidigung vor Gericht ein gefährliches Unterfangen. Davon ausgenommen sind interessanterweise Anwälte, die Fälle annehmen, bei denen es sich hauptsächlich um Bestechungsgelder für die Sicherheitsdienste handelt. Dennoch stehen einige Anwälte in Prozessen, in denen es um Wohneigentum und Grundbesitz geht, vor Gericht. Diese werden von der Regierung als Waffe eingesetzt, um Druck auf Dissidenten auszuüben. Andere wagen es, im Fall von willkürlichen Festnahmen vor Gericht zu gehen, um ihre Mandanten aufgrund von Form- und Verfahrensfehlern freizubekommen. Ihnen bleiben die Verfahrensgarantien vorenthalten, die insbesondere in den Gesetzen zur Regelung des Anwaltsberufs vorgesehen sind. In einem Fall willkürlicher Inhaftierung durch einen nichtstaatlichen Akteur – die Palästinensergruppe von Ahmed Jebril – wurde der in Damaskus ansässige Anwalt Aref Al-Shaal, selbst ein ehemaliger politischer Gefangener, von den Sicherheitsdiensten vorgeladen, die ihm befahlen, das Verfahren einzustellen.

In Gebieten, die unter staatlicher Kontrolle stehen, unterliegt die Situation von Menschenrechtsanwälten den Eventualitäten eines sich ändernden Rechtssystems, bewaffneter Gruppen und ausländischer Interventionen. Viele Anwälte im Nordwesten haben ihren Beruf aufgrund der Besonderheit des geltenden Rechts, des nicht kodifizierten islamischen Rechts und der Interventionen der syrischen Heilsregierung aufgegeben. Dennoch führten öffentliche Mobilisierungen in diesem Bereich, die oft von Fachanwälten initiiert wurden, in einigen Fällen zur Freilassung politischer Gefangener oder zur Strafverfolgung militanter Gruppen. Im von der syrischen Übergangsregierung (SIG) kontrollierten Nordosten behielt die von der Türkei unterstützte Opposition die Rechts- und Justizstrukturen der syrischen Regierung bei, soweit sie mit den Zielen der Revolution vereinbar sind. In der Praxis hat dieses System jedoch „sporadische“ Gerichte und agiert unter der Aufsicht türkischer Behörden und ihrer unterstützten bewaffneten Gruppen. In den von den syrischen demokratischen Kräften kontrollierten Gebieten im Osten wurde ein besonderes Rechtssystem mit sporadisch funktionierenden Gerichten eingerichtet, die Anwälten strenge ideologische Beschränkungen auferlegen.

Aufgrund dieser Komplexitäten zogen die meisten syrischen Anwälte, die die Menschenrechte verteidigen, ins Ausland, wo sie ihre Kämpfe fortsetzen. Es gibt rund 30 NGO und Zivilgesellschaftsnetzwerke, die sich mit Menschenrechten befassen. Zu ihren Aktivitäten gehören die Dokumentation von Menschenrechtsverletzungen, Überwachung und Berichterstattung, die Unterstützung von Syrern im Ausland bei ihren Gerichtsverfahren, die Organisation von Unterstützungskampagnen und die Anklage von Menschenrechtsverletzern vor ausländischen Gerichten. Das Syrische Zentrum für Medien und Meinungsfreiheit (SCM) und das Syrische Zentrum für Rechtswissenschaften und Forschung (LSRC) waren maßgeblich an der Strafverfolgung von syrischen Menschenrechtsverletzern vor nationalen Gerichten in Deutschland, Frankreich, Schweden, Norwegen, Schweiz, Niederlande und Großbritannien beteiligt. Parallel dazu haben sie eigene Einheiten für den UN-Menschenrechtsmechanismus, denen sie Bericht erstatten und vor die sie gegebenenfalls Einzelfälle bringen. Außerdem sind diese beiden Organisationen wichtige Anlaufstellen für die Einheiten in einigen Ländern, die sich mit Kriegsverbrechen befassen, unter anderem in den USA und in Kanada. Insbesondere das Syrische Zentrum für Medien und Meinungsfreiheit ist stark an den aktuellen internationalen Bemühungen beteiligt, einen international beauftragten unabhängigen Mechanismus zu dem Problem des erzwungenen Verschwindens in Syrien einzurichten.

In Anerkennung für ihre herausragenden Leistungen hat The Time im Mai 2022 die Leiter des SCM und LSRC in die Liste der 100 einflussreichsten Persönlichkeiten der Welt aufgenommen. Mazen Darwish, Direktor des SCM und ehemaliger politischer Gefangener, hat bereits zuvor von Kanzlerin Merkel den Roosevelt Four Freedoms Preis für 2016 erhalten. Der Einsatz für Menschenrechte in Syrien, selbst aus dem Ausland, geht nicht ohne Risiken und Kosten einher. Die Familien von syrischen Anwälten, die sich für Menschenrechte einsetzen, werden durch die Sicherheitsdienste systematisch schikaniert und eingeschüchtert. Davon waren 2019 mehrere syrische Anwälte betroffen, die im Ausland leben und ausgewählt wurden, im von der UNO vermittelten Verfassungsausschuss mitzuwirken. Sie entschieden sich dagegen, nachdem ihre Familien in Syrien bedroht und eingeschüchtert wurden. Aktuell wurden zwei Familienangehörige von Suleiman Al-Qorfan, ein syrischer Anwalt, der in Gaziantep in der Türkei lebt und sich bereit erklärt hat, in dem gleichen Ausschuss mitzuwirken, nach seiner Entscheidung von den Sicherheitsdiensten willkürlich festgenommen. Dies ist eine Erinnerung daran, dass Menschenrechtsverteidiger und -verteidigerinnen in Syrien und Anwälte im Besonderen im Kampf für Menschenrechte und gegen Straflosigkeit vor enormen Herausforderungen stehen. Sie benötigen und verdienen internationale Unterstützung.

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