VITA
Derzeit ist die bekannte afghanische Frauenrechtsaktivistin an der Universität von Ottawa als Gastwissenschaftlerin tätig. Sie begann ihre akademische Laufbahn im Jahr 2012 als Assistenzprofessorin an der Universität Kabul. Seitdem hält sie Vorlesungen über öffentliche Politik mit den Schwerpunkten Menschenrechte, Gleichberechtigung zwischen Mann und Frau und insbesondere zur Stärkung der Rolle von Frauen. Von 2015 bis 2019 arbeitete sie in mehreren lokalen Forschungseinrichtungen und Think Tanks zu Frauenrechten und geschlechterbezogenen politischen Reformen. Von 2019 bis 2021 war Shabnam Salehi Kommissarin und Leiterin der Abteilung für die Förderung und den Schutz der Rechte von Frauen (WPU) in der Unabhängigen Menschenrechtskommission Afghanistans (AIHRC). Unter ihrer Leitung konzipierte und implementierte die WPU Maßnahmen zum Schutz und zur Förderung der Frauenrechte in Afghanistan. Sie setzte sich besonders für die Beteiligung von Frauen in privaten und öffentlichen Institutionen ein und half dabei, die Mitwirkung von Frauen an Entscheidungsprozessen zu stärken. Vor der erneuten Machtübernahme der Taliban 2021 brachte sie sich bei Gesetzesreformen zu Ehe, Jungfräulichkeitstests, Scheidung, Rechte von Transgendern, sexueller Belästigung, Gewalt gegen Frauen und weibliche Gefangene ein. Seit August 2021 setzt Shabnam Salehi ihre Arbeit für die Rechte der Frauen in Afghanistan im Exil fort.
AFGHANISTAN
Derzeit ist die bekannte afghanische Frauenrechtsaktivistin an der Universität von Ottawa als Gastwissenschaftlerin tätig. Sie begann ihre akademische Laufbahn im Jahr 2012 als Assistenzprofessorin an der Universität Kabul. Seitdem hält sie Vorlesungen über öffentliche Politik mit den Schwerpunkten Menschenrechte, Gleichberechtigung zwischen Mann und Frau und insbesondere zur Stärkung der Rolle von Frauen. Von 2015 bis 2019 arbeitete sie in mehreren lokalen Forschungseinrichtungen und Think Tanks zu Frauenrechten und geschlechterbezogenen politischen Reformen. Von 2019 bis 2021 war Shabnam Salehi Kommissarin und Leiterin der Abteilung für die Förderung und den Schutz der Rechte von Frauen (WPU) in der Unabhängigen Menschenrechtskommission Afghanistans (AIHRC). Unter ihrer Leitung konzipierte und implementierte die WPU Maßnahmen zum Schutz und zur Förderung der Frauenrechte in Afghanistan. Sie setzte sich besonders für die Beteiligung von Frauen in privaten und öffentlichen Institutionen ein und half dabei, die Mitwirkung von Frauen an Entscheidungsprozessen zu stärken. Vor der erneuten Machtübernahme der Taliban 2021 brachte sie sich bei Gesetzesreformen zu Ehe, Jungfräulichkeitstests, Scheidung, Rechte von Transgendern, sexueller Belästigung, Gewalt gegen Frauen und weibliche Gefangene ein. Seit August 2021 setzt Shabnam Salehi ihre Arbeit für die Rechte der Frauen in Afghanistan im Exil fort.
Vielen Dank, dass Sie sich Zeit für dieses Interview nehmen. Wie geht es Ihnen heute?
Mir geht es gut, und wie jeden Tag in den letzten Monaten habe ich den Tag damit begonnen, die Nachrichten zu lesen und auf die E-Mails über die Menschenrechtsverletzungen in Afghanistan zu antworten und mit den Menschenrechtsaktivisten zu kommunizieren. Immer im Einsatz für die Rechte der Frauen.
Wie sind Sie Menschenrechtsanwältin geworden? Wie kam es zu Ihrer Berufswahl?
Ich wurde in einer stark marginalisierten Gemeinschaft in Afghanistan geboren, in der Frauen systematisch diskriminiert wurden. In meinem Dorf gab es keine Schulen für Mädchen und keine Frauen, die auch nur ansatzweise lesen und schreiben konnten. Ich hatte das Glück, dass meine Eltern meine Ausbildung unterstützten und an Orten wohnten, wo ich Zugang zu Bildung hatte. Schon in der Sekundarschule beschäftigte ich mich mit der Diskriminierung von Frauen. Es gelang mir früh, dass ich genau das als riesiges Problem erkennen konnte und beschloss, an Lösungen zu arbeiten. Ich stellte mir eine Zukunft vor, in der alle Männer und Frauen die gleichen Rechte und Chancen haben würden. Vor dem Zusammenbruch der Regierung im Jahr 2021 war ich Mitglied der Unabhängigen Menschenrechtskommission Afghanistans (AIHRC) die zuständige Leiterin der Abteilung für den Schutz und die Förderung der Rechte von Frauen (WPU). In dieser Funktion arbeitete ich direkt mit Opfern von Gewalt, mit staatlichen Stellen, der Zivilgesellschaft und der internationalen Gemeinschaft zusammen. Ziel war es immer einen Beitrag zu leisten, dass die Gerechtigkeit im Land insgesamt und insbesondere die Rechte von Frauen verbessert werden.
Was waren Ihre Hauptaufgaben als Kommissionsmitglied der Unabhängigen Menschenrechtskommission in Afghanistan?
Ich war hauptsächlich an verschiedenen Gesetzesreformen zu geschlechtergerechten Themen, wie Ehe, Jungfräulichkeitstests, Scheidung, Transgender-Rechten und sexueller Belästigung beteiligt. Ich habe mich besonders die Teilhabe von Frauen an der afghanischen Gesellschaft eingesetzt. Als Leiterin der Abteilung für den Schutz und die Förderung von Frauenrechten hatte ich Gelegenheit, strategisch-politische Ziele festzulegen und deren Implementierung vorzubereiten. Unter meiner Verantwortung konzipierten und implementierten wir beispielsweise Maßnahmen, die die Koordination und Kommunikation zwischen den verschiedenen staatlichen Akteuren verbesserten. Einen Schwerpunkt habe ich auf Fälle von sexueller Belästigung und Gewalt gegen Frauen gelegt. Außerdem war es wichtig, dass sich afghanische Frauen am Friedensprozess beteiligen konnten. Jedes Jahr registrierte und bearbeitete mein Team rund 5.000 Fälle von häuslicher Gewalt. Wir unterstützten die Opfer beim Zugang zu den Justizbehörden.
Wie beurteilen Sie die Situation der afghanischen Anwältinnen vor dem Umsturz durch die Taliban im Vergleich zur Situation nach August 2021?
Vor den Taliban hatten wir einen rechtlichen und politischen Rahmen für den Schutz und die Förderung der Menschenrechtsanwältinnen. Unter den verschiedenen Entscheidungsträgern gab es einen soliden politischen Willen zur Unterstützung der Anwältinnen. Allerdings gab es zugleich ständig Sicherheitsbedrohungen. Bereits 2020 wurde eine Kollegin von mir ermordet und wir wurden mehrfach eingeschüchtert. Jeden Tag erhielt ich Nachrichten von Menschenrechtsverteidigern über die Bedrohungen, die sie sowohl von Warlords als auch von den Taliban erhielten. Diejenigen, die ernsthaft bedroht wurden, fanden vor der Machtübernahme im letzten Jahr jedoch immer noch Wege wie sie ihren Menschenrechtsaktivismus ausüben konnten. Heute ist die Situation eine ganz andere. Es gibt weder ein Gesetz, das die Menschenrechte explizit schützt, noch einen einzigen darauf spezialisierten Anwalt, eine Anwältin oder gar ein Gericht, das die Gewalt gegen Frauen strafrechtlich verfolgt. Politisch betrachtet fehlt es dem de-facto-Regime an dem notwendigen Willen Frauenrechte zu gewährleisten. Menschenrechtsverteidiger werden heute unterdrückt, sie müssen sich aufgrund ihres Aktivismus verstecken. Einige werden bedroht, inhaftiert, gefoltert, und sogar ermordet. In der Tat gibt es für sie in Afghanistan keinen sicheren Lebensraum.
Haben Sie selbst ebenfalls einmal Ermittlungen durchgeführt, die zu Angriffen und Bedrohungen geführt haben?
Ja, ich habe eine Reihe von Ermittlungen über Menschenrechtsverletzungen durch ehemalige Regierungsbeamte und die Taliban eingeleitet und mich für die Reform diskriminierender Gesetze eingesetzt. Einmal habe ich Fälle von politischer und sexueller Belästigung auf hoher Ebene untersucht und den Bericht dem Präsidenten Afghanistans vorgelegt. Außerdem untersuchte ich die Fälle von sexueller Belästigung von Fußballspielerinnen, die in den Medien große Aufmerksamkeit erregten. Zwei Wochen vor dem Zusammenbruch der Regierung begann ich mit einer Untersuchung der systematischen Tötungen in Speen Boldak in Kandahar, die von den Taliban begangen wurden. Diese Untersuchungen waren hochsensibel und risikoreich und stellten eine Bedrohung für meine Familie und mich dar.
„Menschenrechtsverteidiger werden heute unterdrückt, sie müssen sich aufgrund ihres Aktivismus verstecken.“
Seit die Taliban an die Macht gekommen sind, haben viele Menschenrechtsanwältinnen das Land verlassen, wurden verhaftet oder mit einem Berufsverbot belegt. Was haben Sie getan?
Während meiner Arbeit bei der Unabhängigen Menschenrechtskommission Afghanistans habe ich mich für die Bestrafung von Tätern eingesetzt, die aufgrund von Gewalt gegen Frauen verurteilt wurden. Einige von ihnen waren Mitglieder der Taliban und andere einflussreiche Personen mit bedeutender politischer, wirtschaftlicher und sozialer Macht. Nach der Rückkehr der Taliban wurden diese Straftäter aus dem Gefängnis entlassen, sie riefen ab dann mehrmals an, bedrohten meine Familie und mich und suchten nach uns. Wir versteckten uns bis zur Evakuierung und schalteten unsere Handys aus. Meine Familie und ich bekamen Hilfe und verließen das Land, während ich zugleich zusehen musste, wie meine jahrelangen Bemühungen und Hoffnungen auf einen Schlag zerstört wurden. Ich ließ alles zurück: meine Karriere, die Grundlagen, die ich für einen Wandel geschaffen hatte und meine jahrelangen Arbeitsergebnisse. Es war eine totale Katastrophe für mich. Auch nach Monaten bin ich noch immer nicht in der Lage, das Trauma und den damit verbundenen Stress zu überwinden.
Kann die Unabhängige Afghanische Menschenrechtskommission weiter funktionieren, nachdem viele Mitglieder geflohen sind, weil sie selbst verfolgt worden wären?
Die Leitung der AIHRC wurde inzwischen komplett evakuiert und wir versuchen, die verbliebenen Mitarbeiter und Kolleginnen umzusiedeln. Die Aktivitäten der AIHRC sind in Afghanistan inzwischen ausgesetzt. Unser Büro ist von den Taliban besetzt, die niemanden in das Gebäude lassen. Meine Kolleginnen und ich setzen uns ehrenamtlich für die Rechte der Frauen ein. Wenn die aktuelle politische Entwicklung der Unterdrückung anhalten sollte, werden Menschenrechtsverteidigerinnen weiter verfolgt und weggesperrt werden.
Haben Sie einen Rat für die afghanischen Menschenrechtsanwältinnen, insbesondere für diejenigen, die im Exil leben?
Wir haben nach wie vor die Pflicht und die Verantwortung, die Menschenrechte zu schützen und zu fördern. Wir müssen auf unserer Arbeit aufbauen, trotz der riesigen Anzahl an Herausforderungen und Hindernissen.
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