Zurzeit werden Wahlrechte in der EU nur teilweise gewährt. In 13 der 27 EU-Mitgliedstaaten ist es Nicht-EU-Bürgerinnen und -Bürgern nicht gestattet, an Kommunalwahlen teilzunehmen. Mobile EU-Bürgerinnen und –bürger sowie Drittstaatsangehörige sind generell von nationalen Wahlen ausgeschlossen. Das Büro für Europäischen Dialog der Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit (FNF) unterstützt schon seit zwei Jahren die Europäische Bürgerinitiative (EBI) „Voters Without Borders“ (Wähler ohne Grenzen), die von der ECIT Foundation (European Citizens‘ rights, Involvement & Trust) organisiert wird. Die EBI ist der Ansicht, dass partielle Wahlrechte ein Hindernis für Beteiligung und Demokratie sind. Im Rahmen der Projektaktivitäten organisierte „Wähler ohne Grenzen“ am 23. April 2022 vor den Präsidentschaftswahlen in Paris eine Scheinwahl, um angesichts des französischen Vorsitzes im Europäischen Rat und der bedeutenden Auswirkungen der Wahl – sowohl für Frankreich als auch für die EU – auf das partielle Wahlrecht aufmerksam zu machen. Denn sowohl mobile EU-Bürgerinnen und -Bürger als auch Nicht-EU-Bürgerinnen und -Bürger waren nicht berechtigt, im April bei den Präsidentschafts- und Parlamentswahlen zu wählen. Das Hauptziel der Scheinwahl bestand darin, die Aufmerksamkeit auf den Ausschluss mobiler EU- und Nicht-EU-Bürgerinnen und -Bürger von der Ausübung ihres Wahlrechts zu lenken. Der Ausschluss findet statt, obwohl diese Personen Steuern zahlen und ihren Wohnsitz in Frankreich haben. Während einige argumentieren, dass eine Gewährung des Wahlrechts für Nicht-EU-Bürgerinnen und -Bürger die Innenpolitik störend beeinflussen würde, würde dies die Wahlen nach unserer Ansicht doch eher legitimieren und die Demokratie stärken.
In vier Wahllokalen in Paris wurden Bürgerinnen und Bürger zunächst gefragt, ob sie französische Staatsangehörige, mobile EU-Bürgerinnen und -Bürger oder Drittstaatsangehörige seien. Sie erhielten dann entweder einen Stimmzettel mit den französischen Präsidentschaftskandidaten (für nicht-berechtigte französische Einwohnende) oder das Referendum (für französische Einwohnende), abhängig davon, wie sie auf die Frage nach ihrer Nationalität geantwortet haben. Beim Referendum wurde gefragt, ob alle französischen Einwohnenden zu regionalen, nationalen oder Europäischen Wahlen berechtigt sein sollten, was jeweils mit „Ja“ oder „Nein“ beantwortet werden konnte. Insgesamt nahmen 433 französische Bürgerinnen und Bürger am Referendum teil, deren überwältigende Mehrheit das Wahlrecht für mobile EU-Bürgerinnen und -Bürger unterstützte. Nicht-wahlberechtigte Einwohnende waren außerdem gewillter, Emmanuel Macron zu wählen (156) oder einen leeren Stimmzettel abzugeben (62), als für die Kandidatin der Rechten, Marine le Pen, zu stimmen (8).
Das Recht auf Menschenrechtsbildung