Unter dem Mikroskop

Tunesien

Populismus im digitalen Zeitalter


Am 23. Juli 2025 veranstaltete die FNF Tunesien eine öffentliche Präsentation des Policy Papers „Populismus im digitalen Zeitalter: Der Fall Tunesien“ (“Populism in the Digital Age: The Case of Tunisia”), verfasst von Hanene Zbiss, unabhängige Journalistin und Präsidentin der tunesischen Sektion der Union de la Presse Francophone (UPF). Die Veranstaltung fand in Tunis statt und brachte Journalistinnen und Journalisten, Juristinnen und Juristen, Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler sowie zivilgesellschaftliche Akteurinnen und Akteure, die sich für Meinungsfreiheit und demokratische Regierungsführung einsetzen, zusammen.

Hanene, die 2019 von der Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit mit dem Raif Badawi Award for Courageous Journalists ausgezeichnet wurde, präsentierte eine kritische Analyse, wie sich der politische Diskurs und die institutionellen Dynamiken Tunesiens in den letzten Jahren entwickelt haben. Ihre Forschung ordnet den Aufstieg des Populismus in Tunesien in einen breiteren globalen Trend ein, betont jedoch zugleich den spezifischen historischen, sozialen und technologischen Kontext des Landes.

Laut dem Papier entstand der tunesische Populismus aus einer tiefen Enttäuschung nach der Revolution, da die demokratischen Versprechen von Freiheit, Würde und wirtschaftlichen Chancen für große Teile der Bevölkerung nicht umgesetzt wurden. Wachsende Arbeitslosigkeit, regionale Ungleichheiten sowie die wahrgenommene Distanz der Eliten zu den alltäglichen Problemen der Bürgerinnen und Bürger verstärkten Frustration und Ernüchterung. Vor diesem Hintergrund wurden soziale Medien zu einem mächtigen politischen Instrument, das die Art und Weise verändert, wie Führungspersonen kommunizieren, mobilisieren und die öffentliche Meinung beeinflussen.

Die Diskussion machte deutlich, wie der Populismus in Tunesien durch das Zusammenspiel von restriktiver Gesetzgebung und digitalem Raum verstärkt wird. Zum einen besteht ein wachsendes Arsenal repressiver Rechtsinstrumente, insbesondere Dekret 54 zu Cyberkriminalität, das genutzt wurde, um Journalistinnen und Journalisten, Aktivistinnen und Aktivisten sowie kritische Nutzerinnen und Nutzer sozialer Medien strafrechtlich zu verfolgen. Zum anderen haben staatlich gesteuerte Online-Netzwerke mit Millionenpublikum – geschätzte 3,6 Millionen Follower auf den Facebook-Seiten des Präsidenten – dazu beigetragen, Desinformation zu verbreiten, stigmatisierende Narrative zu stärken und Verschwörungstheorien zu verbreiten, und dies weitgehend ohne persönliche Konsequenzen.

Birgit Lamm, Projektleiterin in Tunesien, während der Eröffnung der Veranstaltung.

Die Teilnehmenden an der Publikations-Veranstaltung äußerten tiefe Besorgnis über die selektive Anwendung von Gesetzen und den schrumpfenden Raum für unabhängigen Journalismus. Während kritische Stimmen Einschüchterung und gerichtliche Belästigung ausgesetzt sind, agieren Fake-News-Seiten und Trollnetzwerke, die das politische Establishment unterstützen, oft ungestört. Diese Asymmetrie hat ein Klima der Angst und Selbstzensur gefördert, das das öffentliche Vertrauen in Informationen untergräbt und die digitale Öffentlichkeit weiter fragmentiert.

Das Paper schließt mit mehreren wichtigen Empfehlungen, die darauf abzielen, dem populistischen Trend entgegenzuwirken und die demokratische Resilienz wiederherzustellen. Dazu gehören die Aufhebung repressiver Gesetze, die mit internationalen Menschenrechtsstandards unvereinbar sind, die Wiederherstellung der Unabhängigkeit der Justiz sowie die Entpolitisierung von Cyberkriminalitätsuntersuchungen. Zbiss betont zudem die Bedeutung von Investitionen in Medienkompetenz und die Stärkung unabhängiger Fact-Checking-Initiativen, um die Bürgerinnen und Bürger zu befähigen, Online-Informationen kritisch zu bewerten.

Über institutionelle Reformen hinaus bekräftigte die Diskussion, dass Zivilgesellschaft, unabhängige Medien und internationale Partner eine entscheidende Rolle bei der Verteidigung des demokratischen Raums in Tunesien spielen. Durch die Förderung offener Dialoge, die Unterstützung von evidenzbasiertem Journalismus und die Stärkung digitaler Rechte können diese Akteurinnen und Akteure dazu beitragen, kollektive Resilienz gegen autoritäre Tendenzen aufzubauen, die Angst und Desinformation ausnutzen.

Die Veranstaltung machte deutlich, dass die Erfahrungen Tunesiens eine breitere Herausforderung für Demokratien weltweit widerspiegeln: die Spannung zwischen digitaler Ermächtigung und digitaler Manipulation. In einer sich rasant wandelnden Medienlandschaft bleibt die Verteidigung der Meinungsfreiheit, von Transparenz und Rechenschaftspflicht nicht nur für das Überleben demokratischer Institutionen, sondern auch für die Aufrechterhaltung des Vertrauens der Bürgerinnen und Bürger in die Idee von Wahrheit von zentraler Bedeutung.

Hanene Zbiss, unabhängige Journalistin und Präsidentin der tunesischen Sektion der Union de la Presse Francophone (UPF)

Ein Angebot der

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